Die Kraft der kollektiven Weisheit

Mein Interesse für die Themen Nachhaltigkeit, Sharing Community, Ökologie etc. brachte mich Anfang 2020 in Kontakt mit dem ostschweizerischen Ökodorf Herzfeld Sennrüti. Hier begleite ich junge Menschen aus Russland, Türkei und Albanien als externer Mentor während ihres Einsatzes im Rahmen des europäischen Freiwilligenjahres EVS. Eine hervorragende Gelegenheit, um auch gemeinschaftlich-ökologische Projekte „vor der eigenen Haustür“ kennenzulernen.

Und darüber stosse ich denn schnell auf weitere interessante Informationen:
Kosha A.Joubert / Leila Dregger, Ökodorfer weltweit – lokale Lösungen für globale Probleme, Verlag Neue Erde, 2015
Das Buch portraitiert zahlreiche eindrückliche Ökodorf-Gemeinschaften auf allen Kontinenten. Die ehrlichen und offenen Interviews geben Einblick in die Entstehungswege, in Stärken und Schwächen, „Fehler“ und Erfolge.

Der Eurotopia-Versand vertreibt Literatur rund um die Ökodorf-Gemeinschaften, so etwa:
Eurotopia – Verzeichnis von Ökodörfern + Gemeinschaften in Europa (Michael Würfel Hrsg)
Michael Würfel, Dorf ohne Kirche – die ganz grosse Führung durch das Ökodorf Sieben Linden (locker verfasstes und leicht lesbares Portrait über das Alltagsleben im Ökodorf)

Schliesslich stosse ich auf das Buch von Kosha Anja Joubert, Die Kraft der kollektiven Weisheit – wie wir gemeinsam schaffen, was einer allein nicht kann, Kamphausen Verlag Bielefeld, 2009/2010. Dieses schlägt einen grossen Bogen über die gedanklichen, erkenntnistheoretischen und philosophischen Grundlagen, von Systemtheorie über Konstruktivismus und Spiraldynamik bis zu Wahrnehmung und Kommunikation. Das Buch stellt aber auch eine Fülle praktischer Methoden zusammen, welcher sich viele der gemeinschaftlich konzipierten Projekte bedienen. Eine Fundgrube anregender Impulse und Metaphern zum Weiterdenken.

Die Welle schläft im Ozean. „Das Potenzial zur Form und Sichtbarkeit liegt schlummernd im Unsichtbaren, die Welle schläft im Ozean. Der Quantenphysiker David Bohm (1917-1992) beschreibt in seinem Buch „Die implizite Ordnung. Grundlagen eines dynamischen Holismus“ die immanente Ordnung als Feld, in dem die sichtbare Welt „eingefaltet“ ist, bevor sie sich ausdrückt. Die Entfaltung in die Form kommt einem Aufblühen aus der impliziten Ordnung in die explizite Ordnung gleich. So kann ein Same als ein Tor gesehen werden, durch welches das Implizite, das Verborgene, ins Explizite strömt.“ (S.31)

„Im Moment scheint es hilfreich, mit Begrifflichkeiten wie Feld und System, Gemeinschaft und Kollektiv zu spielen. Wir können uns auf unserer Forschungsreise hin zu mehr Verbundenheit und Kooperationsbereitschaft an Analogien versuchen, fraktale Musterbildung in kollektiven Strukturen erkennen und unser Bewusstsein für die impliziten Aspekte unserer sozialen Realitäten schulen. In Wirklichkeit ist die Realität ganz anders.“ (S.33)

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Weiterführende Links:
GEN-Suisse / Schweizer Zweig des Global Ecovillage Network
GEN-Europe / Europäische Plattform des Global Ecovillage Network
ecovillage.org / Global Ecovillage Network – Catalyzing Communities for a Regenerative World
GAIA Education / die Bildungs-Plattform des Global Ecovillage Network

Die Kunst des guten Lebens (R.Dobelli)

Rolf Dobelli, Die Kunst des guten Lebens – 52 überraschende Wege zum Glück
ISBN 978-3-492-97807-1 / © Piper Verlag GmbH, München 2017

Dieses Buch – eine Kolumnen-Sammlung von Rolf Dobelli – hat mich sehr inspiriert. Es liest sich leicht, regt zu ungewohnten Perspektiven an und macht Mut, eigene Prioritäten für das Leben zu setzen. In seinen Anleihen an die Philosophiegeschichte streift es ähnliche Aspekte, wie bereits das Buch „Ich brauche nicht mehr“ von Ines Maria Eckermann. Während jenes dann nützliche und praktische Ableitungen für den persönlichen Alltag bereitstellt, geht Dobelli statt dessen in der Analyse der aktuellen gesellschaftlichen Phänomene weiter. Einige Abschnitte aus Dobellis Buch, die mich besonders angeregt haben, sind nachfolgend zitiert:

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So geht es nicht weiter, wenn es so weitergeht.

Für diesen Ausspruch habe ich keine eindeutige Autorenschaft gefunden. Vielleicht ist es einfach so, dass sich manchmal Erkenntnisse herausbilden und gewissermassen ins allgemeine Bewusstsein drängen, weil sie einfach „reif“ sind. Wohl in diesem Sinne nimmt Christoph Pfluger den Satz auch auf in seinem Buch „Strategie der friedlichen Umwälzung – eine Antwort auf die Machtfrage“, welches diesen Oktober 2019 in der edition Zeitpunkt erschienen ist.
So geht es nicht weiter, wenn es so weitergeht. Beim Rückblick auf das zu Ende gehende Jahr und auf die gesellschaftliche Dynamiken, die sich zuweilen still und zuweilen lautstark manifestiert hatten, dämmert Vielen von uns diese Erkenntnis. In meinem mehrheitlich sozial-ökologisch orientierten Bekanntenkreis keine absolute Neuigkeit. Was mich jedoch erstaunt: Während der letzten drei Tage bin ich gleich auf drei Personen gestossen, von denen ich diesen Satz nicht in solcher Klarheit erwartet hätte.

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Wissenswertes und Nachdenkliches zur Olivenproduktion in Europa

Hochachtung gebührt den coltivatori della domenica
Im locker-informativen Lesebuch von Dorothea Löcker (Lesereise Kulinarium Italien, Oliven, Wein und jede Menge Pasta, Picus-Verlag Wien, 2011) schlage ich das Kapitel „Oliven und Meer – die wichtigste Jahreszeit an der ligurischen Küste“ auf. Nebst landwirtschaftlichen, gastronomischen und kulturellen Informationen sind hier auch kritische Perspektiven auf die EU-Landwirtschaftspolitik herauszulesen. Tatsächlich wird die Differenz zwischen einem rational-technokratischen bzw. bürokratischen Effizienz-Denken einerseits und der naturgegeben arbeitsintensiven Olivenproduktion anderseits besonders drastisch sichtbar. Leidenschaftliche ligurische Olivenöl-Produzenten beklagen die mangelnde politische Unterstützung des Olivenanbaus, die bürokratischen Hürden und die ausbleibende Wertschätzung dieser Jahrhunderte alten Kultur.

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„Ich brauche nicht mehr“

„Ich brauche nicht mehr“ von Ines Maria Eckermann, Tectum Wissenschaftsverlag 2019
I.M.Eckermann gibt mit diesem umfangreichen Buch einen guten Abriss über einen anspruchsvollen Themenbogen: Glück und Lebenskunst in der antiken, griechischen Philosophie, die keineswegs neue Sucht des „immer mehr“ (Pleonexia), welche sie als dem Kapitalismus und Konsumismus eigen beschreibt. Schliesslich wird detailreich und unterhaltsam dargelegt, welche Rolle Medien und Marketing in einer kapitalistischen Welt einnehmen. Dass die sattsam bekannten „Grenzen der Wachstumsgesellschaft“, die Ressourcenknappheiten sowie die Umweltbelastungen ein Umdenken erfordern, wirkt heutzutage recht offensichtlich und nachvollziehbar. Die Autorin liefert viele konkrete Ideen und Tipps zu einem minimalistischen, rücksichtsvollen und nachhaltigen Lebensstil und plädiert für eine Konsumgelassenheit. Wenn der Schreibstil zuweilen auch etwas salopp und leichtfüssig daherkommt, so sind die Gedankengänge jedenfalls umfassend und fundiert und das Buch liest sich locker. I.M.Eckermann scheut nicht zurück vor sehr kritischen Gedanken zum zuweilen paradoxen Verständnis von Arbeit und sie hat viele ihrer Anregungen auch selbst ausprobiert. Vor allem die fundierten Bezüge zur griechischen Philosophie scheinen mir sehr erhellend und einleuchtend und machen deutlich, dass die Suche nach Glück, Erfüllung und Gelassenheit alle Kulturen durchdringt; Lebenskunst als ur-menschliches Thema.

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Zeitwohlstand - wie wir anders arbeiten, nachhaltig wirtschaften und besser leben

Autoren: Hartmut Rosa, Niko Paech, Friederike Habermann, Frigga Haug, Felix Wittmann, Lena Kirschenmann
Konzeptwerk Neue Ökonomie (Hrsg.), Oekom Verlag, München 2014

Bei »Zeitwohlstand«  denkt man vielleicht zunächst einmal an Urlaub. Aber Urlaub wovon? Vom Alltag? Von der Arbeit? Vom Stress? Bestimmt. Aber Zeitwohlstand als Urlaub im Dauerzustand? für viele eine eher schauderhafte Vorstellung. Neben unserem Bedürfnis nach Entspannung wollen wir doch auch etwas schaffen, »produktiv sein«.  Hier wird die Frage nach Zeitwohlstand schnell kompliziert aber auch interessant. Genau deswegen startete das Konzeptwerk Neue Ökonomie im Juli 2012 eine Veranstaltungsreihe zu diesem Thema unter dem Motto Arbeit und Wohlstand neu definieren – Politische Diskussion und Vergnügen kommen zusammen . Wir haben Vorträge gehört, hinterfragt und diskutiert. Dazu haben wir vegane Torten gebacken und gleich gegessen, Konzerte gehört und ein fiktives Arbeitsamt besucht. Alle RednerInnen der Vortragsreihe haben für dieses Buch einen Text geschrieben. Hinzu kommen Beiträge der VeranstalterInnen, Spiele und Bauanleitungen und da haben wir es, ein Buch über Zeitwohlstand. (Seite 8)

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Wie wirklich ist die Wirklichkeit?

Bislang fühlte ich mich gegenüber Rollenspielen und Theaterspielen sehr distanziert; ja schon das Kostümieren an Fasnacht war/ist mir eher fremd. Zu stark mein Bedürfnis, stets authentisch und echt zu sein. So war es denn für mich selbst überraschend, wie spontan und entschlossen ich mich auf die Kleidermiete am Mittelalterfest einlassen konnte. Mir war auch sofort klar, dass der Habit des Zisterzienser-Mönchs mein Gewand sei für dieses Wochenende. Es machte schliesslich richtig Spass, in diese Rolle zu schlüpfen und mir den bisher unbekannten und mittelalterlich geprägten Ort aus dieser Perspektive zu erschliessen.

Besonders schön der Spaziergang am frühen Sonntagmorgen durch den noch verschlafenen Ort. Ein herrlicher Sonnentag mit tiefblauem Himmel kündigt sich an; die Rosenblüten leuchten heute speziell frisch und das Wasser des Thouet kräuselt sich blauer denn je. Tatsächlich ein sonderbares Gefühl, gemessenen Schrittes entlang des Ufers und durch den Ort zu schreiten: das Gefühl der Dankbarkeit für die Schöpfung stellt sich ganz automatisch ein. Dann die ersten Begegnungen, ein Mann mit der Zeitung unterm Arm, jemand kommt vom Bäcker, hinter den ersten Marktständen des Mittelalter-Handwerker-Marktes regt es sich. Eine junge dynamische Familienfrau im grossen schwarzen SUV braust davon … bestimmt zu einem wichtigen Termin.

Was, wenn mich jetzt jemand fragen würde, ob ich ein echter Mönch sei? Bin ich oder spiele ich? So genau könnte ich das nicht einmal sagen, denn mir ist gerade sehr wohl in der Haut und ich geniesse diese Perspektive. Ja, in diesem Moment BIN ich, ganz eindeutig.

Ist die Wirklichkeit jener Frau im SUV nun wirklicher, wichtiger, stimmiger als meine Wirklichkeit? Oder bin ich in diesem Moment gar bewusster und gegenwärtiger unterwegs als sie? Was ist den wirklich? Und was wichtig? Da kommt mir der Ausspruch des originellen und höchst eigenständigen Waldviertler Schuhfabrikanten und Unternehmers Hermann Staudinger in den Sinn. In seinem Firmenleitbild steht an erster Stelle: das Wichtigste im Leben ist das Leben!
Ja tatsächlich! Und ich möchte gar noch ergänzen: das Spannendste, das Überraschendste und das Sinnvollste wohl auch.

Kleider machen Leute – und Kutten machen Mönche: jedenfalls wurde ich an diesem Wochenende vielfach angesprochen, um Absolution gebeten, zur Beichte aufgefordert oder ans nächste Stundengebet erinnert. Auch eine Form der Kontaktaufnahme. Und offenbar hat die Kleidung eine deutliche Wirkung.

Inzwischen habe ich das Mönchgewand wieder abgelegt und der Vermieterin zurückgegeben. Sehr dankbar für diese spannende Erfahrung. Das Spielen mit den verschiedenen Wirklichkeiten möchte ich aber noch weiter ausprobieren. Bin ja gespannt, was noch alles auf uns wartet.