Nadine Pungs, Meine Reise ins Übermorgenland

Bei uns ist immer noch Winter – und Lockdown. Der Camper steht im Winterquartier. Da ist es naheliegend, sich der einen oder andern Sofa-Reise bzw. Schaukelstuhl-Reise zu widmen. Derzeit: Nadine Pungs, Meine Reise ins Übermorgenland – allein unterwegs von Jordanien bis Oman, Verlag Malik, München 2020
Allein und mit Neugier im Gepäck erkundet Nadine Pungs die Arabische Halbinsel: von Jordanien über Kuwait, Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar, Oman bis an die Grenze des Jemen. Sie reitet mit Beduinen durch die Wüste, übernachtet in Zelten und Wolkenkratzern, spricht mit Gastarbeitern und Geflüchteten. Sie trifft einen Scheich und hat sogar eine Audienz bei einer waschechten Prinzessin. Pungs sammelt Geschichten aus dem Orient und fügt aus ihren Begegnungen und Beobachtungen ein schillerndes Mosaik des heutigen Arabien zusammen. Dabei erlebt sie Herzensgüte, aber auch ausweglos erscheinende Situationen. Und irgendwann muss sie sich entscheiden: aufgeben oder solange weiterreisen, bis die Wüste das Meer küsst. (Klappentext)

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Die illegale Pfarrerin

oder – „biographische Wiedererkennungseffekte“
oder – „wie biographische Schriften Dritter dem eigenen Leben Spiegel sein können“

Immer noch beeindruckt von der spannenden Lektüre suche ich einen passenden Untertitel für dieses Lese-Erlebnis. Das sehr sorgfältig recherchierte Buch der Enkelin über ihre Grossmutter, die erste Pfarrerin in einem Vollamt, liest sich ausserordentlich leicht und spannend. Schritt um Schritt dem Leben und dessen Herausforderungen folgend.

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R.D.Precht’s „Utopie für die digitale Gesellschaft“

Precht, Richard David: Jäger, Hirten, Kritiker – eine Utopie für die digitale Gesellschaft, Goldmann-Verlag München, 2018

Precht unternimmt einen klugen Ausblick auf das, was kommen mag. Und er bemüht sich, der gesellschaftlichen Entwicklung und insbesondere der Digitalisierung auch gute Aspekte abzugewinnen. Er verhehlt aber nicht, dass wir kulturgeschichtlich möglicherweise (vermutlich) noch nicht reif seien für eine sinn- und massvolle Anwendung dieser neuen Technologien.
Die Lektüre dieses Buches hat meinen Skeptizismus nur noch verstärkt. Dennoch habe ich einige Passagen abgeschrieben, die mich besonders anstacheln und zum Weiterdenken anregen.
Zum Zeitpunkt der Lektüre im Januar 2020 konnte ich noch nicht ahnen, dass der fett gesetzte Satz im drittletzten Abschnitt so bald eine Entsprechung finden würde: zwei Monate später haben wir die weltweite „Corona-Krise“ und damit – hoffentlich – jenen „Punkt, an dem man zwingend hätte Halt machen müssen“.

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Aetna – Etna – Mongibello

„Der Ätna (italienisch Etna oder auch Mongibello) ist mit rund 3323 Metern über dem Meeresspiegel der höchste aktive Vulkan Europas. Er liegt auf der italienischen Insel Sizilien zwischen Catania und Messina. Am 21. Juni 2013 hat die UNESCO den Ätna in die Liste des Weltnaturerbes aufgenommen.“ Was Wikipedia so nüchtern umschreibt, wird für uns zu einem ganz besonderen Erlebnis zwischen zwei Olivenernte-Wochen.

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Zum Beispiel Adrano

Adrano ist eine eine gut 36’000 Einwohner zählende Stadt an der Südwestflanke des Aetna. Zusammen mit 8 weiteren Gemeinden hat sie Anteil an der Spitze des Aetna – in radialer Anordnung wie ein Tortenstück. Am Ufer des Simeto, eines in das Vulkangestein eingegrabenen Flusses, zeugt die Ponte dei Saraceni von der frühen Besiedelung dieser äusserst fruchtbaren Gegend. Jedoch sind schon Griechen und Römer vorausgegangen … und die Sarazenen ihrerseits seien im 11.Jahrhundert in ganz Süditalien durch die Normannen (daher das hiesige Castello Normanno) verdrängt worden. Später folgten die Kirchen und Klöster; der grosszügige und harmonische Bau des Monastero e della Chiesa Santa Lucia, deren Fassade in Lavastein und Marmor eine lichte Wirkung erzielt, dominiert die Stadt-Ansicht. Solche und weitere Auskünfte erhielten wir von Cavaliere Nicolo Moschitta, dem Präsidenten der örtlichen Tourismusvereinigung Pro Loco Adrano, nachdem wir dieses unscheinbare Büro überhaupt erst erspäht hatten.

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Aus Stein gehauen – Cave di Cusa und die Tempel von Selinunte

Wir sind wieder mal unserer Leidenschaft auf der Spur: schlichte und einfache Formen in Stein. Spuren der Zeit und der Vergänglichkeit. Zunächst besuchten wir die Cave di Cusa, jene Steinbrüche, in denen die riesigen Säulen für die griechische Tempelanlage von Selinunt direkt aus dem Boden gehauen wurden. Was heute ein lieblicher Olivenhain ist und zum Spaziergang einlädt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Steinbruch im Tagebau: offenbar wurde der Kalkstein in dieser flachen Gegend etagenweise dem Boden abgerungen, Lage um Lage. Die sich konisch verjüngenden Säulen-Elemente sind zum Teil mannshoch mit einem Durchmesser von bis zu zwei Metern. Ein Rätsel, wie solche Werkstücke damals gehoben und über hopprige Strassen nach Selinunte transportiert werden konnten.
(Das erinnert uns unweigerlich an die Steinbrüche im Anjou, in denen der Muschelkalk für den Bau zahlreicher Loire-Schlösser aus dem Boden gehauen wurde. Dort oft in Flaschenform in die Tiefe hinunter.)

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TID 2019 – Teil 2 in Belgrad

Nach sieben Paddeltagen und 283 Paddel-Kilometern genießen wir heute einen ersten Ruhetag in Belgrad (Flusskilometer 1165 ). Nach einem heftigen Gewitter gestern Abend ist es bereits wieder schwül und warm, gut 30 Grad, was gegenüber der kürzlichen mitteleuropäischen Hitzewelle ja eigentlich noch moderat ist.
Wir haben Gelegenheit zu einer Stadtbesichtigung im offenen Doppeldecker- Bus. Viel Verkehr, viele marode Bauten, viele bauliche Zeugen aus der sozialistischen Aera … und auch zahlreiche Bau-Lücken bzw. Kriegsschäden, die von den Bombardierungen im Jugoslawienkrieg Anfang der neunziger Jahre stammen. Bel-Grad, die weiße Stadt, wird ihrem Namen nicht wirklich gerecht. Sie hat durch die Geschichte schon zahlreiche Kriege erlebt bzw. überlebt und wurde stets wieder auf- und weitergebaut. Diese Kriegs-Attacken waren wohl der strategisch wichtigen Lage an der Mündung der Save in die Donau zuzuschreiben.
Wenn es diese Stadtführung zu betiteln gälte, dann könnte man z.B. über den Arbeitstitel „und immer geht es weiter – die Resilienz-Kraft der Stadt Belgrad“ nachdenken.

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Das Hohe Lied des Hohen Venn

Das hohe Venn ist die Bezeichnung der Hochebene im Osten Belgiens, das als eines der grössten Hochmoore Europas von grosser Bedeutung ist. Das Gebiet war früher mit Birken-und Erlenwäldern bedeckt. Durch dieses Gebiet ist ein Weg nachweisbar bis ins 6. Jahrhundert. Das Moor hat den hölzernen Unterbau konserviert. Dieser Weg, Vèguée genannt, wurde als Verbindungsweg der Bistümer gebraucht und diente später als wichtiger Handelsweg. Im Mittelalter geriet die Strasse in Vergessenheit. Säulen und Holzpfähle gaben dem Reisenden die Richtung an, ebenso erste Herbergen. Heute ist der Weg ein Forst-und Wanderweg. Die Hauptstrasse führt einige Meter parallel dazu. Durch Besiedelung am Rand des hohen Venn wurde geholzt, geweidet und Torf abgebaut. Später wurden infolge Holzmangel grosse Gebiete mit Fichten in Reih und Glied angebaut. Heute werden diese wieder mit Buchen, Erlen und Birken ersetzt. Zum Teil werden auch wieder Heidegebiete geschaffen. Das ganze Gebiet ist ein riesiges Naturschutzgebiet mit wenigen Wegen, teilweise sind es erhöhte Holzstege durch sumpfiges Gebiet. Informationstafeln und Broschüren vermitteln viel Wissenswertes und Erstaunliches dazu, z.B. Torf wächst im Jahr 1mm, die dortigen Schichten sind teilweise 8-9 Meter dick, rechne! Oder dass die Namensgebung der Menschen hier bis vor kurzem wie im Appenzellerland von der Herkunft des Hauses stammt, z.B. Petisch Will, Willhelm aus dem Haus Petisch.

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