Kunst des Müssiggangs

Robert Wringham, Ich bin raus – Wege aus der Arbeit, dem Konsum und der Verzweiflung, Heyne München, 2.Auflage 2018

Der Journalist und Humorist Robert Wringham (geb. 1982) ist Herausgeber des Magazins „New Escapologist“. Er lebt abwechselnd in seiner Heimat Schottland (Glasgow) und in Kanada (Montreal). Der biographischen Metapher des Entfesselungskünstlers Houdini entlang entwickelt er eine differenzierte „Lehre des Ausstiegs“ aus einer neoliberalen und kapitalistischen Leistungs- und Erfolgslogik. Der grundsätzlichen – durchaus an uralte philosophische Denktraditionen anknüpfenden – Systemkritik begegnet er weniger mit politischen Forderungen als vielmehr mit einer konsequenten Anleitung zum individuellen und persönlichen Handeln. Sozusagen ein: Befreie Dich selbst! Es ist gar nicht so schwierig, braucht bloss etwas List, den Mut zum Unkonventionellen und die Bereitschaft, sich ab und zu in freiwilliger Selbstbeschränkung zu üben. Dabei verändert sich Dein Blick und Du lernst mehr und mehr, in diesem Lebensstil Deinen persönlichen Netto-Gewinn zu erkennen.

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R.D.Precht’s „Utopie für die digitale Gesellschaft“

Precht, Richard David: Jäger, Hirten, Kritiker – eine Utopie für die digitale Gesellschaft, Goldmann-Verlag München, 2018

Precht unternimmt einen klugen Ausblick auf das, was kommen mag. Und er bemüht sich, der gesellschaftlichen Entwicklung und insbesondere der Digitalisierung auch gute Aspekte abzugewinnen. Er verhehlt aber nicht, dass wir kulturgeschichtlich möglicherweise (vermutlich) noch nicht reif seien für eine sinn- und massvolle Anwendung dieser neuen Technologien.
Die Lektüre dieses Buches hat meinen Skeptizismus nur noch verstärkt. Dennoch habe ich einige Passagen abgeschrieben, die mich besonders anstacheln und zum Weiterdenken anregen.
Zum Zeitpunkt der Lektüre im Januar 2020 konnte ich noch nicht ahnen, dass der fett gesetzte Satz im drittletzten Abschnitt so bald eine Entsprechung finden würde: zwei Monate später haben wir die weltweite „Corona-Krise“ und damit – hoffentlich – jenen „Punkt, an dem man zwingend hätte Halt machen müssen“.

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Die Kunst des guten Lebens (R.Dobelli)

Rolf Dobelli, Die Kunst des guten Lebens – 52 überraschende Wege zum Glück
ISBN 978-3-492-97807-1 / © Piper Verlag GmbH, München 2017

Dieses Buch – eine Kolumnen-Sammlung von Rolf Dobelli – hat mich sehr inspiriert. Es liest sich leicht, regt zu ungewohnten Perspektiven an und macht Mut, eigene Prioritäten für das Leben zu setzen. In seinen Anleihen an die Philosophiegeschichte streift es ähnliche Aspekte, wie bereits das Buch „Ich brauche nicht mehr“ von Ines Maria Eckermann. Während jenes dann nützliche und praktische Ableitungen für den persönlichen Alltag bereitstellt, geht Dobelli statt dessen in der Analyse der aktuellen gesellschaftlichen Phänomene weiter. Einige Abschnitte aus Dobellis Buch, die mich besonders angeregt haben, sind nachfolgend zitiert:

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So geht es nicht weiter, wenn es so weitergeht.

Für diesen Ausspruch habe ich keine eindeutige Autorenschaft gefunden. Vielleicht ist es einfach so, dass sich manchmal Erkenntnisse herausbilden und gewissermassen ins allgemeine Bewusstsein drängen, weil sie einfach „reif“ sind. Wohl in diesem Sinne nimmt Christoph Pfluger den Satz auch auf in seinem Buch „Strategie der friedlichen Umwälzung – eine Antwort auf die Machtfrage“, welches diesen Oktober 2019 in der edition Zeitpunkt erschienen ist.
So geht es nicht weiter, wenn es so weitergeht. Beim Rückblick auf das zu Ende gehende Jahr und auf die gesellschaftliche Dynamiken, die sich zuweilen still und zuweilen lautstark manifestiert hatten, dämmert Vielen von uns diese Erkenntnis. In meinem mehrheitlich sozial-ökologisch orientierten Bekanntenkreis keine absolute Neuigkeit. Was mich jedoch erstaunt: Während der letzten drei Tage bin ich gleich auf drei Personen gestossen, von denen ich diesen Satz nicht in solcher Klarheit erwartet hätte.

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Wissenswertes und Nachdenkliches zur Olivenproduktion in Europa

Hochachtung gebührt den coltivatori della domenica
Im locker-informativen Lesebuch von Dorothea Löcker (Lesereise Kulinarium Italien, Oliven, Wein und jede Menge Pasta, Picus-Verlag Wien, 2011) schlage ich das Kapitel „Oliven und Meer – die wichtigste Jahreszeit an der ligurischen Küste“ auf. Nebst landwirtschaftlichen, gastronomischen und kulturellen Informationen sind hier auch kritische Perspektiven auf die EU-Landwirtschaftspolitik herauszulesen. Tatsächlich wird die Differenz zwischen einem rational-technokratischen bzw. bürokratischen Effizienz-Denken einerseits und der naturgegeben arbeitsintensiven Olivenproduktion anderseits besonders drastisch sichtbar. Leidenschaftliche ligurische Olivenöl-Produzenten beklagen die mangelnde politische Unterstützung des Olivenanbaus, die bürokratischen Hürden und die ausbleibende Wertschätzung dieser Jahrhunderte alten Kultur.

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„Ich brauche nicht mehr“

„Ich brauche nicht mehr“ von Ines Maria Eckermann, Tectum Wissenschaftsverlag 2019
I.M.Eckermann gibt mit diesem umfangreichen Buch einen guten Abriss über einen anspruchsvollen Themenbogen: Glück und Lebenskunst in der antiken, griechischen Philosophie, die keineswegs neue Sucht des „immer mehr“ (Pleonexia), welche sie als dem Kapitalismus und Konsumismus eigen beschreibt. Schliesslich wird detailreich und unterhaltsam dargelegt, welche Rolle Medien und Marketing in einer kapitalistischen Welt einnehmen. Dass die sattsam bekannten „Grenzen der Wachstumsgesellschaft“, die Ressourcenknappheiten sowie die Umweltbelastungen ein Umdenken erfordern, wirkt heutzutage recht offensichtlich und nachvollziehbar. Die Autorin liefert viele konkrete Ideen und Tipps zu einem minimalistischen, rücksichtsvollen und nachhaltigen Lebensstil und plädiert für eine Konsumgelassenheit. Wenn der Schreibstil zuweilen auch etwas salopp und leichtfüssig daherkommt, so sind die Gedankengänge jedenfalls umfassend und fundiert und das Buch liest sich locker. I.M.Eckermann scheut nicht zurück vor sehr kritischen Gedanken zum zuweilen paradoxen Verständnis von Arbeit und sie hat viele ihrer Anregungen auch selbst ausprobiert. Vor allem die fundierten Bezüge zur griechischen Philosophie scheinen mir sehr erhellend und einleuchtend und machen deutlich, dass die Suche nach Glück, Erfüllung und Gelassenheit alle Kulturen durchdringt; Lebenskunst als ur-menschliches Thema.

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Zeitwohlstand - wie wir anders arbeiten, nachhaltig wirtschaften und besser leben

Autoren: Hartmut Rosa, Niko Paech, Friederike Habermann, Frigga Haug, Felix Wittmann, Lena Kirschenmann
Konzeptwerk Neue Ökonomie (Hrsg.), Oekom Verlag, München 2014

Bei »Zeitwohlstand«  denkt man vielleicht zunächst einmal an Urlaub. Aber Urlaub wovon? Vom Alltag? Von der Arbeit? Vom Stress? Bestimmt. Aber Zeitwohlstand als Urlaub im Dauerzustand? für viele eine eher schauderhafte Vorstellung. Neben unserem Bedürfnis nach Entspannung wollen wir doch auch etwas schaffen, »produktiv sein«.  Hier wird die Frage nach Zeitwohlstand schnell kompliziert aber auch interessant. Genau deswegen startete das Konzeptwerk Neue Ökonomie im Juli 2012 eine Veranstaltungsreihe zu diesem Thema unter dem Motto Arbeit und Wohlstand neu definieren – Politische Diskussion und Vergnügen kommen zusammen . Wir haben Vorträge gehört, hinterfragt und diskutiert. Dazu haben wir vegane Torten gebacken und gleich gegessen, Konzerte gehört und ein fiktives Arbeitsamt besucht. Alle RednerInnen der Vortragsreihe haben für dieses Buch einen Text geschrieben. Hinzu kommen Beiträge der VeranstalterInnen, Spiele und Bauanleitungen und da haben wir es, ein Buch über Zeitwohlstand. (Seite 8)

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