Zum internationalen Tag der Menschenrechte am 10.Dezember
Wir leben gerade in einer schizophrenen Welt-Entwicklung. Den meisten Menschen – wenn sie mal still und ehrlich in sich hineinhorchen – ist klar, dass es so nicht weitergehen kann. Die politischen Kräfte und Instanzen sind am Hyperventilieren, jene Instanzen welche bislang ethisch-moralisch richtungweisend waren, sind unglaubwürdig geworden, die wissenschaftlichen Autoritäten widersprechen sich gegenseitig und die Medien multiplizieren das richtungslose Gegacker ins Unermessliche: „just in time“ und weltweit. Aus den ach-so-entwickelten Teilen der Welt ist derzeit nicht zu erwarten, dass ein neues Lied angestimmt wird: da dominiert immer noch die altbekannte Logik von „mehr desselben“. Wir sind ökologisch, gesellschaftlich, wirtschaftlich und bald auch psychisch am „Ende unseres Lateins“.
Es ist Zeit für einen neuen Versuch. Wie wäre es, wenn alle Menschen guten Willens in diesem denkwürdigen Jahresübergang 2021/2022 sich gleichzeitig einem gleichermassen stillen, bescheidenen und fairen Experiment verschreiben würden, das nichts kostet und sofort umsetzbar ist?
Vom 25. Dezember 2021 bis und mit 6. Januar 2022 darf jede und jeder, die/der aus freien Stücken möchte, sich dem freiwilligen Konsum-Verzicht anschliessen: essen was da ist, sich mit den Menschen die Zeit vertreiben, die in unmittelbarer Nähe sind, sich mit dem eigenen Körper in der Natur bewegen, sich ausreichend Zeit der Stille gönnen, sich frei machen von ungesunden Zwängen (das kann auch ungesunde/unfreiwillige Tätigkeit sein), sich kleinen immateriellen Dingen widmen, die das Herz erfreuen.
Es ist das, was die (unterprivilegierte) Mehrheit der Menschen ohnehin macht während dieser Tage, weil sie nicht anders können. Wenn dabei kleine Momente der Lebensfreude, der Freundlichkeit, der Gastfreundschaft und der Hilfsbereitschaft sich ereignen, dann ist es das, was dieselbe (unterprivilegierte) Mehrheit der Menschen bereits virtuos versteht: wir können von ihnen lernen.
Leicht möglich, dass sich bei diesem Experiment die Erkenntnis einstellt, dass wir gar nicht soviel brauchen, wie wir in der westlichen Welt oft meinen. „All you need ist less.“ Leicht möglich auch, dass wir uns dabei über coronabedingte Einschränkungen gar nicht aufregen müssen, weil der Tag neuen Inhalt findet. Und leicht möglich, dass die Klimatologen nach diesen 12 Nächten eine signifikante klimatische Veränderung feststellen.
Wer während dieses freiwilligen Experimentes die Lust verspürt, alleine oder mit anderen zu singen, dem sei dieses alte Volkslied empfohlen. Es hat offenbar schon mehrfach an besonderen Punkten der Geschichte neue Bedeutung gefunden:
- Die Gedanken sind frei,
wer kann sie erraten,
sie fliehen vorbei
wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen,
kein Jäger erschießen,
es bleibet dabei
die Gedanken sind frei. - Ich denke, was ich will,
und was mich beglücket,
doch alles in der Still,
und wie es sich schicket.
Mein Wunsch und Begehren
kann niemand verwehren,
es bleibet dabei:
die Gedanken sind frei. - Und sperrt man mich ein
im finsteren Kerker,
das alles sind rein
vergebliche Werke;
denn meine Gedanken
zerreißen die Schranken
und Mauern entzwei:
die Gedanken sind frei. - Drum will ich auf immer
den Sorgen entsagen
und will mich auch nimmer
mit Grillen mehr plagen.
Man kann ja im Herzen
stets lachen und scherzen
und denken dabei:
die Gedanken sind frei.
Im Internet sind bestimmt zahlreiche Liedsätze dazu zu finden. Mein persönlicher Favorit ist der dreistimmige Satz von Hugo Beerli.
Lieber Christoph
“All you need is less” wird mir momentan als willkommene Nebenwirkung während der Corona Isolation geschenkt. Nebst der Impfaufregung und den gesundheitlichen Sorgen währe “less” etwas davon, das sich ungebremst multiplizieren dürfte.
Und dies alles auch noch während der Rauhnächte, in denen wir uns unter anderem an unsere Glaubenssätze und unsere Intuitionen erinnern sollen und dürfen.
Lauschen wir doch einfach weiterhin auf die leisen Töne in uns und um uns her.
Herzgruss
Marlis