Zusammen leben oder Zusammenleben?

Was macht eine Haus-Gemeinschaft aus? Sind wir einfach zufällig am selben Ort lebende Menschen mit ganz eigenen Wünschen und Absichten? Oder gibt es etwas, das uns in besonderem Masse verbindet? Etwas, das uns – bewusst – zusammengeführt hat? Mehrere Freunde, die uns besuchten, hinterliessen nach kurzer Zeit das eindeutige Feedback: ihr seid (noch) keine Gemeinschaft. Hier ist das Verbindende (noch) nicht wirklich spürbar.

Tatsächlich, unser Zusammentreffen in dieser bunt gemischten Zufalls-Gemeinschaft war von Beginn weg von einem Aktionismus (von einem – verdeckten – Auftrag gar?) geprägt. Die Zeit, einander mit unseren ganz eigenen Geschichten und Talenten, mit unseren Visionen und Wünschen wahrzunehmen, haben wir uns nicht explizit gegeben. Indirekt passierte das inzwischen wohl schon, teilweise, bilateral, mal mehr und mal weniger.

Nach den ersten optimistischen Schritten haben wir inzwischen auch die Grenzen einer „das wird sich schon ergeben“-Haltung kennengelernt. Das tägliche pragmatische Miteinander funktioniert zwar recht gut und wir haben schon diverse Anlässe gestemmt, meist in Parforce-Ritten auf dem letzten Drücker. Zunehmend wird aber auch deutlich, dass wir uns zu wenig Zeit für die Gemeinschaftsbildung genommen hatten.

Die Balance zwischen Initiative und Lähmung erfordert einen bewussten Prozess. Eine lebendige Gemeinschaft funktioniert wohl nicht ohne Verbindlichkeit und ohne – auch physische – Präsenz. Die „postmoderne Beliebigkeit“ sowie die digitale All-Verbundenheit vermögen diese Grundanforderung nicht zu kompensieren. Und auch ein digitales Tool wie „Slack“ erzeugt nicht per se gegenseitiges Verständnis; so schnell und praktisch die Kommunikation damit gegliedert werden kann, vergrössert es gleichzeitig die Gefahr eines digitalen Informations-Überflusses.

Wir haben einige unermüdliche Zugpferde – und einige, die meist mit Abwesenheit glänzen. Auch wenn ab und zu praktische Hilfe in letzter Minute angeboten wird, die tatsächliche Verantwortung liegt auf wenigen Schultern. Da bleibt die offene Frage, bei wem wohl der gute Wille, die gute Absicht ausreichend in Balance sei mit den eigenen Kräften? Die ungleiche Verteilung hinsichtlich Projekt-Engagement ist unübersehbar. Dennoch: eine ausreichende Selbstsorge kann man nur selbst betreiben. Für die gute Kräftebalance und die nötige Eigenzeit ist jedeR selbst verantwortlich.

Jenseits von Aktionismus und Ergebnisorientierung gibt es ein Feld der Achtsamkeit, das geeignet sein kann, im Tun gleichzeitig neue Kraft zu schöpfen. Ich bin überzeugt, dass in der Aufmerksamkeit für die unmittelbare Umgebung und in der Sorgfalt im Umgang mit Menschen und Materialien eine Quelle der Kraft liegt, die zu entdecken sich lohnt. Doch (Für-)Sorge braucht Zeit.
Wenn wir die Kuchen selber backen, die Wäsche selber waschen, die Fenster selber putzen
und den Hof mit dem grossen Reisbesen kehren statt mit dem Laubbläser, wenn wir unseren Vorplatz und den Steingarten pflegen, dann passiert inneres und äusseres Sorgetragen gleichzeitig.

Auch von den üblichen Konfliktfeldern des Zusammenlebens bleiben wir nicht verschont. Kühlschrank, Küche und Waschküche bieten ausreichend Gelegenheit zum Einüben von Toleranz und Geduld. Wer bringt den Abfall raus? den richtigen Eimer am richtigen Tag? und wer reinigt die Biomüll-Tonne? Die Hexe versteckt sich im Detail. Immerhin: einige Details müssen inzwischen nicht mehr explizit erwähnt werden. Toleranz und Verantwortungsgefühl sind gleichermassen gewachsen. Und so wird’s weitergehen. Oder in Karl Valentins Worten: „Schaun ma mal, dann seg’n ma scho.“

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