„… die Welt ein klein wenig schöner zurücklassen …“

Heute haben wir beschlossen, hier in der Nähe von Francavilla Fontana nochmals zwei Wochen anzuhängen und den Workaway-Einsatz bei Antonio zu verlängern. Betätigungsmöglichkeiten sehen wir noch genug; und zusammen mit Theresia, einer „frisch gebackenen“ Kunsthistorikerin aus Berlin, haben wir Dream-Team-Qualitäten entwickelt. Und alle drei machen wir die Erfahrung, dass das anfängliche Chaos schrittweise fassbarer wird. Überall wo man sich eine kleine Aufgabe vornimmt, entsteht ein Stück selbst gestaltete Welt, wird einem vertraut und lieb, was anfänglich eher abstossend hätte wirken können.

Dass ich am ersten Tag inmitten extrem wuchernder Dornen eine wunderschöne Trockensteinmauer entdeckte und diese freizulegen begann, wurde zum Anfang meines persönlichen Steckenpferdes, ja beinahe zu einer Leidenschaft im doppelten Wortsinn (wenn ich z.B. an den 5mm-Dorn denke, der mir in der Kopfhaut steckte). Über die ersten zwei Wochen hinweg war ich kontinuierlich am Schneiden, Jäten, Wischen und Steine aufbeigen. Am Ende sind es rund 400 Meter Steinmauer, die freigelegt ist und damit auch nicht mehr Gefahr läuft, allmählich vom Wurzelwerk zerstört zu werden. So wurde die Trockensteinmauer immer mehr zu „meiner Mauer“ und die daran entlang führende Strasse immer mehr zu „meiner Strasse“. Das muss der kleine Prinz von Saint-Exupéry wohl gemeint haben, wenn er beim Fuchs von „apprivoiser“ sprach: das was Du Dir vertraut gemacht hast, dafür bist Du zeitlebens verantwortlich.

Als ich heute das Werk vollendete, letzte Ast-, Kraut- und Erdreste zusamenkehrte und den Strassenrand wischte, stellten sich dann unweigerlich noch weitere philosophische Gedanken ein. Etwa an Beppo den Strassenkehrer, der im unvergesslichen Buch „Momo“ von Michael Ende erklärt, dass man stets nur an den nächsten Schritt denken müsse, damit die Aufgabe nicht langweilig wird. Oder Michel Simonet aus Fribourg, der „Balayeur à la rose“: der studierte Philosoph hat den Beruf des Strassenkehrers gewählt und lebt auf diese Weise seine „praktische Philosophie“. Sehr kreativ, inspirierend und beeindruckend. Das Glück liegt auf der Strasse! Das Westschweizer Fernsehen hat in „Passe-moi les jumelles“ ein wunderbares Portrait von ihm gemacht (auf youtoube / 26 Minuten).

„Versucht die Welt ein klein wenig besser zurückzulassen als ihr sie vorgefunden habt.“ Das Zitat kam mir bei dieser Tätigkeit in den Sinn … und erst beim Nachforschen im Internet kam ich darauf, dass es aus dem „Abschiedsbrief an die Pfadfinder der Welt“ von Robert Baden-Powell stammt. Ich war selbst nicht Pfadfinder/Scout, kann mich aber gut identifizieren mit den berührenden Aussagen des Gründers der Pfadi-Bewegung. Ja, so könnten wir unsere Reiseform mit Workaway-Einsätzen durchaus auch verstehen, als „späte Pfadi-Aktion von Jung-Rentnern“, die damit beitragen möchten, an verschiedenen Orten einen bescheidenen Beitrag zu leisten und „die Welt ein klein wenig schöner zurück zu lassen“.

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