Die Kunst des guten Lebens (R.Dobelli)

Rolf Dobelli, Die Kunst des guten Lebens – 52 überraschende Wege zum Glück
ISBN 978-3-492-97807-1 / © Piper Verlag GmbH, München 2017

Dieses Buch – eine Kolumnen-Sammlung von Rolf Dobelli – hat mich sehr inspiriert. Es liest sich leicht, regt zu ungewohnten Perspektiven an und macht Mut, eigene Prioritäten für das Leben zu setzen. In seinen Anleihen an die Philosophiegeschichte streift es ähnliche Aspekte, wie bereits das Buch „Ich brauche nicht mehr“ von Ines Maria Eckermann. Während jenes dann nützliche und praktische Ableitungen für den persönlichen Alltag bereitstellt, geht Dobelli statt dessen in der Analyse der aktuellen gesellschaftlichen Phänomene weiter. Einige Abschnitte aus Dobellis Buch, die mich besonders angeregt haben, sind nachfolgend zitiert:

5 Antiproduktivität – Warum Zeitsparer oft Zeiträuber sind
… Illich nannte diesen Effekt Counterproductivity (zu Deutsch etwa: »Antiproduktivität« oder »gegenläufige Produktivität«). Der Begriff bezeichnet die Tatsache, dass viele Technologien auf den ersten Blick Zeit und Geld sparen, diese Ersparnis sich dann aber in Luft auflöst, sobald man eine Vollkostenrechnung anstellt. Wie auch immer Sie persönlich am liebsten unterwegs sind: Antiproduktivität ist eine Entscheidungsfalle, die Sie besser weitläufig umfahren. (S.30)
… Fazit: Technik – meist vielversprechend angekündigt – wirkt sich häufig antiproduktiv auf die Lebensqualität aus. Eine Grundregel des guten Lebens lautet: Was nicht wirklich etwas bringt, kann man sich sparen. Das gilt ganz besonders für Technologie. Knipsen Sie lieber erst Ihr Hirn an, bevor Sie zum nächsten Gadget greifen. (S.32)

15 Das Geheimnis der Beständigkeit – Warum Langweiler mehr Erfolg haben als Abenteurer
… Unser Hirn liebt kurzfristige, sprungartige Entwicklungen. Wir reagieren übertrieben auf Höhepunkte und Tiefpunkte, auf rapide Veränderungen und schrille News – nehmen aber kontinuierliche Entwicklungen kaum wahr. Damit überschätzen wir systematisch Tun gegenüber Nichtstun, Emsigkeit gegenüber Nachdenken und Aktivismus gegenüber Abwarten. (S.82)
… Das also ist das Geheimnis der Beständigkeit: Langzeiterfolge entwickeln sich wie Kuchen aus Sauerteig. Langsame, langweilige, lang andauernde Prozesse führen zu den besten Resultaten. Das gilt auch für Ihr Leben.
Noch nie gab es ein Jahrhundert, in dem Aktivität, Geschäftigkeit und Emsigkeit so gefeiert wurden wie in unserem. Die moderne Religion der »Disruption« fordert, dass wir unsere Karrieren, unsere Firmen, ja unser Leben permanent zerstören und neu erfinden. Nur so, lautet der Konsens, würden wir wettbewerbsfähig bleiben. Viele Menschen glauben zudem, ein gutes Leben müsse aus lauter Abenteuern, Reisen, Wohnortwechseln und Höhepunkten bestehen. Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall. Je ruhiger ein Leben, desto produktiver. (S.-84)
… Was heißt das nun für Ihr gutes Leben? Weniger Geschäftigkeit, dafür mehr Beständigkeit. Wenn Sie einmal Ihren Kompetenzkreis (siehe vorheriges Kapitel) geschaffen haben, bleiben Sie darin, und zwar so lange wie möglich. Ebenso, wenn Sie einen guten Ehepartner gefunden haben, einen passenden Wohnsitz oder ein erfüllendes Hobby. Ausdauer, langfristiges Denken und Beständigkeit sind höchst wertvolle, aber unterschätzte Tugenden. Wir sollten sie wieder pflegen. »Sie müssen nicht brillant sein«, meint Charlie Munger – »nur im Durchschnitt ein bisschen klüger als die anderen, und das während einer langen, langen Zeitspanne.« (S.84)

19 Der kleine Sinn des Lebens – Welche Ziele Sie erreichen können und welche nicht
Als der amerikanische Autor Terry Pearce seinen Kollegen Gary anrief, kam folgende Ansage: »Hallo, das ist Gary, und das ist kein Anrufbeantworter, sondern ein Anrufbefrager. Die zwei Fragen lauten: ›Wer sind Sie?‹ und ›Was wollen Sie?‹.« Es folgte eine längere Pause, dann sprach die Stimme weiter: »Und falls Sie denken, dies seien triviale Fragen, denken Sie daran, dass 95 Prozent der Bevölkerung durchs Leben gehen, ohne auch nur eine dieser Fragen zu beantworten.«
Wie würden Sie die Frage »Wer sind Sie?« beantworten? (S.103)

20 Ihre zwei Ichs – Warum Ihr Leben kein Fotoalbum ist
… Was zählt nun, Ihr erlebendes Ich oder Ihr erinnerndes Ich? Natürlich beide. Klar, niemand möchte schöne Erinnerungen missen. Doch wir tendieren dazu, das erinnernde Ich höher zu bewerten – und leben im Hinblick auf die Sammlung zukünftiger Erinnerungen, statt uns auf die Gegenwart auszurichten. Steuern Sie dieser Tendenz entgegen. Entscheiden Sie, was Ihnen wichtiger ist: ein erfülltes Leben oder ein volles Fotoalbum? (S.110)

21 Das Erinnerungskonto – Erleben geht über Erinnern
… Fazit: Unser Hirn befasst sich automatisch mit allen drei Zeitebenen – der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. Die Frage ist, auf welche wir uns konzentrieren. Mein Vorschlag: Machen Sie hin und wieder einen langfristigen Plan, und wenn der steht, fokussieren Sie sich voll und ganz auf das Jetzt. Maximieren Sie Ihre momentanen Erlebnisse statt Ihre zukünftigen Erinnerungen. Genießen Sie den Sonnenuntergang, statt ihn zu fotografieren. Selbst ein Leben aus lauter fabelhaften Momenten ohne jegliche Erinnerung wäre ein fabelhaftes Leben. Hören Sie auf, Erlebnisse als Einzahlungen auf Ihr Erinnerungskonto zu betrachten. Spätestens an Ihrem Todestag wird das Konto ohnehin gelöscht. (S.115)

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