Die drei Tage „Kurzferien“ – als Unterbruch zu unserem Einsatz in der Olivenernte in Ali – führten uns auf die äolischen Inseln. Am Montagabend haben wir bis in die Dunkelheit geerntet und Aeste verbrannt; danach fuhren wir noch nach Milazzo. Trotz anderweitiger Angaben hatte der offizielle Stellplatz (und Parkplatz für Insel-Besucher) um 20.30 Uhr bereits dicht gemacht; uns blieb nur, den Camper am Strandparkplatz auf der anderen Seite der Halbinsel abzustellen. Der Tipp aus der Park4night-App hat sich gelohnt: wir übernachteten sehr ruhig, waren am andern Morgen in 15 Fussminuten beim Fähranleger … und fanden am übernächsten Abend den Camper auch wieder unversehrt vor. Per Tragflügelboot ging’s um 7.30 Uhr in Milazzo los nach Stromboli, entlang der äolischen Insel-Perlenkette Vulcano, Lipari, Salina und Panarea.
Wenn dann am Horizont diese typische Inselform auftaucht, dann breitet sich schon ein besonderes Gefühl aus: Traumbild? Kindheits-Sehnsucht? archaische Ur-Form?
Jedenfalls könnte diese „Insel der Inseln“ Modell gestanden haben für das wunderschöne Kinderbuch „Die Menschen im Meer“ (von Jörg Steiner/Jörg Müller, Verlag Sauerländer, Aarau), welches wir unseren Kindern so gerne erzählten, weil es offenbar auch uns als Eltern in seiner Aussage besonders ansprach.
Wikipedia erklärt: „Stromboli ist eine italienische Insel mit dem gleichnamigen, aktiven Vulkan vom Typ eines Strato- oder Schichtvulkans. Die Insel liegt im Mittelmeer nördlich von Sizilien. … Die Höhe der steil aus dem Wasser aufragenden, nahezu kegelförmigen Insel beträgt vom Meeresspiegel aus 926 Meter, in anderen Belegen sind 918 Meter und 968 Meter angegeben. Vom Meeresgrund ragt der Kegel des Vulkans Stromboli etwa 3000 Meter auf. Die Fläche der Insel beträgt nur 12,6 Quadratkilometer, was für diese Höhe ungewöhnlich gering ist.“
Was uns begegnet: Stromboli ist ein kleiner sympathischer Ort mit vielen verstreut liegenden weissen Häuschen in üppig blühender fruchtbarer Landschaft. Lauter APE-Transporterli, elektrisch betriebene Golf-Chäreli (sogar der uniformierte Carabinieri fährt ein stilvolles Golf-Caddy mit Blaulicht obendrauf). Dreimal am Tag wuselt es am Fähranleger, wenn Menschen und Pakete auf’s Schiff warten … und neue Güter und Touristen abgeholt werden. In diesen Momenten scheint sich das ganze Inselleben am Anleger zu kristallisieren; geschäftige und emsige Lebendigkeit. Alles wirkt klein und überschaubar, wohl einer der Gründe für diese besondere Insel-Faszination. Stromboli ist aber auch eine langgezogene Ortschaft mit vielen derzeit unbewohnten Ferienhäuschen; viele Bars und Läden sind am Dichtmachen, vieles ist jetzt – Ende Oktober – bereits geschlossen. Unser Hotel Ossidiana, das mit seiner Strassenbar auch DER Treffpunkt ist für alle Fischer, Taxifahrer, Gepäckträger, Handwerker etc., wird morgen auch zusperren. Offensichtlich gibt es im Winter auch hier unwirtlichere Zeiten und keine Touristen mehr; ob der Vulkan dann auch abgeschaltet wird?
Wir jedenfalls hatten noch die Chance, am Lavastrand zu baden, einen langen Ufer-Spaziergang zu machen und das Insel-Flair aufzusaugen. Der Vulkan hatte Ende Juni 2019 und dann nochmals am 29./30.August 2019 heftige Ausbrüche. Deshalb ist derzeit der gesamte Gipfelbereich von 290müM an aufwärts gesperrt. Das nimmt mir die Entscheidung ab: nach kurzer Mittagsruhe mache ich mich auf den Wanderweg zur Sciara del Fuoco, vorbei an der Kirche San Vincenzo hinauf in die dicht grünen, Schilf- und Macchie-bewachsenen Hänge. Der Wanderweg schlängelt steil aufwärts und wird dann zum teilweise horizontalen Höhenweg Richtung Sonnenuntergang, hinein ins Abendlicht. Der Wegverlauf erinnert mich an Meglisalp oder Ebenalp; gut dass Renata die etwas weniger steil verlaufende „mulattiera“, den Maultierpfad zum Osservatorio gewählt hat und von dort her aufsteigt. Der grob gepflästerte Pfad steigt schliesslich an bis zur „Sciara del fuoco“, einem sensationellen Aussichtspunkt auf die Lava-Flanke und die aktiven Gipfel-Krater auf 290müM. Inzwischen ist die Sonne ins Meer gesunken, die Dämmerung hat eingesetzt … und mit zunehmender Dunkelheit entfaltet sich ein fantastisches Natur-Spektakel: rund alle 20 Minuten werden die Rauch-Wolken-Säulen ganz plötzlich von unten her „beleuchtet“, Signal für den nächsten Auswurf eine Sekunde später. Feuerwerk vom Feinsten, danach die langsam herabkullernden Lava-Brocken … und das nachträgliche Zischen und Grollen des Vulkans. Einfach nur eindrücklich und berührend, das Pulsieren der Erde so nah erleben zu können. Es wirkt, als würde die Erde in diesem Rhythmus aufstossen, rülpsen oder pupsen …. und beim Blick auf den rhytmischen Wellengang des Meeres spürt man sie atmen. Über all dieser Schönheit ein unermesslicher Sternenhimmel …
Der Weg zurück mit Stirnlampe erweist sich als weniger schwierig wie befürchtet. Dennoch sind wir froh, im Osservatorio einen Pizza-Halt einlegen zu können. Eine in dezentem Kerzenlicht beleuchtete Gartenwirtschaft, murmelnde Stille beim ehrfürchtigen Blick auf die nächste Explosion am Nachthimmel. Die „Pizza Crateri“ ist mit einem Spiegelei belegt und mundet vorzüglich, in diesem Szenario gar einzigartig. Renata nimmt für den Rückweg den Shuttle-Service (nomen est omen!) in Anspruch und ich wähle den Fussweg durch die Sternennacht bzw. durch die Neumond-Dunkelheit. Auf Stromboli gibt es – ausser am Hafen – keine Strassenbeleuchtung, super! Die unendlich langen und unendlich schmalen Gässchen machen bei dieser Dunkelheit besonders Eindruck. Renata bestaunte bzw. befürchtete die Fahrkünste des Shuttle-Fahrers, der in horrendem Tempo und bei Dunkelheit über die Holperpiste „fliegt“, umso mehr wenn man bedenkt, dass in diesen Gässchen gerade mal eine APE-Fahrzeugbreite Platz hat.
Nach meiner persönlichen Definition hat „Stromboli“ seinen Namen, weil man bei derart energiegeladener Atmosphäre gewissermassen „unter Strom steht“. Jedenfalls habe ich auch diese Nacht kaum geschlafen, trotz komfortablem Hotelbett, und mich frühmorgens wieder auf den Weg gemacht, die Dämmerung und den Sonnenaufgang zu erleben. Die Intensität der Eindrücke gibt uns das Gefühl, schon mehrere Tage hier verbracht zu haben. So sind wir froh, am nächsten Tag nach dem Frühstücksbuffet nochmals ausruhen bzw. am schwarz-glitzernden Lavastrand schwimmen und „abhängen“ zu können. Besonders schön, wenn nach der Abfahrt des Fährschiffes die Emsigkeit verfliegt, sich auf der Insel wieder die beschauliche Stille ausbreitet … und man sich vom Auftrieb des Salzwassers tragen lassen kann.
Um 16.15 Uhr des nächsten Tages legt auch unser Fährschiff wieder ab und wir fahren in den Abendhimmel hinein zurück nach Milazzo, zwei Inseltage hinter uns lassend, die die Intensität einer Woche hatten. Das aufziehende Gewitter und schliesslich die Regenschauer auf der Überfahrt nach Milazzo setzen diesem eindrücklichen Erlebnis noch die Krone auf. In der Dunkelheit nehmen wir weitere 30km unter die Camper-Räder und fahren einen Stellplatz in Tonnarella nahe Tindari an. Durch kurvige, enge und löchrige Strässchen finden wir dank NAVI die Area Sosta Camper – und sind am andern Morgen überwältigt ob der wunderbaren Lage direkt am glasklaren Meer, mit unverstelltem Blick zurück auf die liparischen Inseln im Morgendunst. Das still daliegende Meer lädt zum Bade – und schon zwei Stunden später hat sich aufgrund der aufkommenden Bise eine sehr wellenbewegte dunkelblaue Fläche ausgebreitet.