Am Montagmorgen 23.September hatten wir noch die Steuer-Schätzung im Hause. Das Auto bereits gepackt, verabschiedeten wir uns dann mit einem gemeinsamen Zmittag von Lisa und Lukas.
In angenehmer und flüssiger Fahrt geht es Richtung Genua, über den San Bernardino ins Tessin. In Mendrisio verlassen wir die Autobahn und beschliessen einen spontanen Übernachtungshalt in Meride. In diesem typischen Tessinerdorf am Fusse des Monte San Giorgio hatte Christoph bereits in seiner Kindheit Ferientage im Albergo seiner Tante Maria verbracht. Stellplatz ausserhalb des Dorfes. Beim abendlichen Spaziergang treffen wir auf dem menschenleeren Dorfplatz tatsächlich auf den mittlerweile 70-jährigen Cousin Stefano. Diese zufällige Begegnung mündet in einen Apéro-Besuch bei Cousine Rita, ein Pizza-Essen, lebhafte Gespräche. Am nächsten Morgen dann die herzliche Verabschiedung beim Capuccino auf dem Dorfplatz.
Bei erneut sehr flüssiger Weiterfahrt durch das Piemont erreichen wir den Fährhafen von Genua gegen 17 Uhr. Wir haben die Überfahrt nach Palermo mit Grandi-Navi-Veloci (GNV) gebucht und geniessen die wunderbare und angenehme 20-stündige Fahrt in der 3-er Aussenkabine bzw. auf Deck (für rund 290 Euro). Hier nimmt die Begegnung mit Ruedi und Monika aus dem Baselland ihren Anfang; wir treffen uns noch mehrfach, geniessen gemeinsam feines Essen und tiefgründige Gespräche – und sind zeitweise fast überwältigt ob der „zu-fälligen“ Gemeinsamkeiten, die wir dabei entdecken.
Die ersten drei Nächte verbringen wir auf dem Frisbee-Stellplatz von Idea Vacance, mit Camper-Vermietung und Camper-Reparaturwerkstatt. Diesen erneuten Zufall nutze ich, um uns eine 140W-Solaranlage auf’s Dach bauen zu lassen (480 Euro inkl. Trinkgeld). Da wollen wir nicht klagen, wenn die Sauberkeit der Anschluss-Arbeit nicht dem CH-Standard entspricht. Funktionalität und Dichtigkeit hingegen können wir ja in den folgenden Wochen ausgiebig testen. Wir hoffen das Beste!
Der Donnerstag ist dem ausgiebigen Stadtbummel durch Palermo gewidmet: Balaro-Markt, Innenstadt-Gebäude, Vucciria-Markt und schliesslich noch die Busfahrt auf den Monte Pellegrino mit einem wunderbaren Blick auf die Stadt im goldenen Abendlicht: die Stadt in der „concha d’oro“, der goldenen Muschel.
Während Ruedi und Monika am Freitag weiterziehen, bleiben wir zwecks Solar-Montage einen Tag länger. Nachmittags ein Nostalgie-Spaziergang durch jene Quartiere, die wir bereits vor 10 Jahren besuchen durften: das Kulturzentrum im ehemaligen S.Spasimo-Kloster (die Kirchenruine hat zwar noch den Grossteil der Mauern und Pfeiler, ist jedoch zum Himmel hin offen und ohne Dach). Das Wochenende steht im Zeichen von „Piano-Palermo“, d.h. es gibt überall und an ausgefallenen Orten Piano-Konzerte, inklusive Hauskonzerte. In der malerischen Kirche Sta Maria Magione geben sich an diesem Freitagnachmittag die Hochzeitsgesellschaften die Hand (nicht nur die Brautpaare unter sich). An der Piazza Rivoluzione werfen wir einen wehmütigen Blick hinauf zur Wohnung von Stefan und Monika, unserem damaligen Feriendomizil. In der Discesa dei Giudici geniessen wir einen Kaffee in der ältesten Torrefacione Casa Stagnitta. In der „Pasticceria del convento“ gibt es die ricotta-gefüllten süssen Cannoli, welche praktisch das Abendessen ersetzen. Dann ein Bianco-Apéro beim Teatro Massimo, ein Blick auf die Festbeleuchtung auf der Piazza St.Anna (an diesem Tag beginnt das Festwochenende zu Ehren der Santa Maria delle Mercede, der Handelswaren). Um halb acht ist es bereits stockdunkel und auf der Piazza Garibaldi macht sich die Abendstimmung breit, im angrenzenden Palazzo Abatellis lädt die UNI Palermo zur europäischen Forschernacht.
Am Samstagmorgen ist Ver- und Entsorgung am Camper angesagt, dann die Fahrt nach Castellamare del Golfo und der Einkauf. Bei der Weiterfahrt bietet sich uns eine wunderschöne Aussicht über den Hafen und die Altstadt; wir fahren jedoch weiter an die Westküste, wo wir uns im Camping „Lido Val d’Erice“ erneut mit Ruedi und Monika treffen.
Am Sonntag besuchen wir das auf rund 700müM gelegene Bergstädtchen Erice. Das weitherum sichtbare Städtchen ist idyllisch, wirkt aber mit seiner touristischen Aufmachung auf uns eher steril. Der Tourismus scheint das echte sizilianische Leben weitgehend daraus verbannt zu haben. Umso schneller machen wir uns auf den Weg Richtung San Vito lo Capo, ein Ort der für seinen karibischen Sandstrand berühmt ist, sich aber punkto touristischer Ausrichtung nicht wirklich unterscheidet. Da gerade Couscous-Fest ist und sich grosse Autoschlangen dorthin bewegen, geniessen wir einen stillen und nahezu einsamen Stellplatz 10 km davor in der Bucht von Castelluzzo.
San Vito besuchten wir tags darauf: von hier bleiben uns eine fantastische Gelateria und eine Parkbusse in Erinnerung. Ja, hier haben die Parkautomaten zwar noch Münz-Schlitze, reagieren aber anscheinend bloss mehr auf Kreditkarten … und wenn man eine Münze reinschiebt, dann heisst es „macchina fuori servicio“. Das akzeptiert die Polizei jedoch nicht als Entschuldigung. Und Achtung: die Polizei hat, trotz anderweitiger Auskünfte, bloss am Morgen von 9-12 geöffnet … und auch hier kann man bloss mit Kreditkarte bezahlen! Was einerseits fortschrittlich erscheinen mag, kehrt sich aber gleich wieder ins Gegenteil, wenn man in diesem mit Papier-Stapeln überstellten Büro vor den vier plaudernden Polizistinnen steht: als die Eine endlich Zeit findet, beginnt ein umständliches und langwieriges Zahlungs-Prozedere, welches Kartenlesegerät, Quittungsausdruck, Kopiermaschine, handbeschriebenes Quittungsformular und drei Ordner umfasst. Da beisst sich die Katze in den Schwanz! Und ich beginne zu ahnen, weshalb mich der sizilianische Camper-Mechaniker in Palermo gleich am ersten Tag bat, ich als Schweizer möge ihn doch bitte adoptieren, er habe längst genug von Sizilien.
Zu unserem Besuch im Parco dello Zingaro hier ein eigener Text-/Bild-Beitrag.
Zu unserem Besuch in Gibellina vecchia hier ein eigener Text-/Bild-Beitrag.