Die Donau nach Belgrad ist breit, schmutzig und von beträchtlichem Lastverkehr geprägt. Es folgen anstrengende und eher einförmige 56 Kilometer bis zum nächsten Camp kurz vor Smederovo. Eine willkommene Abwechslung ergibt sich im Nebenarm hinter einer langgezogenen Insel: wieder eine der vielen selbst gezimmerten Hütten-Siedlungen, Ferien- und Fischerhäuschen offenbar, Fischergondeln liegen davor im Wasser, aufgereiht und malerisch. Eines dieser Häuschen wirkt etwas anders als die andern, hat eine grosse Wellblech-gedeckte Terrasse und zahlreiche vertäute Boote davor. Wir legen an und finden uns sogleich an knorrigen Holztischen wieder, mit einem kühlen Bier vor uns …. Bei einem Shopska-Salat warten wir auf die gegrillten Fische, direkt vom Fischer. Ein Geschenk des Himmels, wunderbar.
Sehr einfache und improvisierte Übernachtung. Anderntags wartet eine 60km-Etappe ohne Strömung auf uns. Wir arbeiten uns geduldig voran, Paddelschlag um Paddelschlag. Damit wir einen möglichst grossen Teil der Strecke noch vor der Mittagspause hinter uns bringen, bleiben wir trotz Gegenwind ohne Pause dran – und nähern uns jener Stelle, an der ein neuer Grenzfluss, die Nera von links in die Donau mündet: danach ist das linke Ufer rumänisch. Der Fähranleger wäre eigentlich nicht mehr weit, doch die letzten Kilometer werden zur Prüfung: plötzlich heftiger Wind aus Norden, sich aufpeitschende Wellenberge auf der an dieser Stelle sehr breiten Donau. Wir kämpfen uns mit aller Kraft voran und haben in den anbrandenden Wellen noch ein delikates Ausstiegmanöver zu bestehen, bevor die Fischsuppe erreicht ist. 42km bis zur Mittagspause und dann noch weitere 18km bei starkem Wellengang: dieser Tag blieb bis zur Ankunft in Veliko Gradisce eine echte Herausforderung.
Trüb-regnerischer Tagesbeginn – dieser hat den Vorteil, dass es nicht so heiss ist. Unter wolkenverhangenem Himmel nähern wir uns mit der nächsten Etappe einer see-artigen Ausweitung der Donau – um gleich danach bei der Festung Golubac in den ersten Karpaten-Riegel, die sogenannten Banater Berge, einzuschwenken. Beidseits begleitet eine kleine Strasse die Donau; auf rumänischer Seite winken relativ schmucke Häuser und Dörfchen herüber. Die Donau wird hier merklich schmaler, die Strömung zügiger; die Wolken sind blauem Himmel gewichen und ein strammer Rückenwind erlaubt mir erstmals, das selbstgebastelte Segel auszupacken: die Apsis eines alten Zeltes tut hier gute Dienste. Bei der Durchquerung der Karpaten erleben wir richtiges Bergwetter, plötzliches Gewitter, heftige Platzregen, markante Abkühlung, extrem schnelle Wetterwechsel. Nach rund einer Stunde segeln, einem ebenso langen heftigen Gewitterregen mit Unterstand bei einer Fischerhütte und nach weiteren endlos scheinenden Kilometern (insgesamt „nur“ 38) erreiche ich den nächsten Übernachtungsplatz in Dobra relativ spät. Zelt aufbauen, nasse Sachen zum Trocknen aushängen … und schon heisst es, mit Essgeschirr zur Essensausgabe anzustehen. Der örtliche Sport- und Tourismusverein hat wieder Folklore-Darbietungen, Ansprachen und eine Ehrung für uns organisiert. Danach geben die Boxen ihr Bestes, um uns alle mit serbischer Musik zu verwöhnen. Bei mir heisst es nur noch: Stöpsel rein und schlafen.
Der nächste Tag bietet eine wunderschöne Teilstrecke bis nach Doni Milanovac: wunderbares Wetter, idyllische Landschaften, fast durchgängig relativ steile bewaldete Bergflanken links wie rechts, man wähnt sich zuweilen am Walensee. Heute bin ich zumeist alleine unterwegs, abgesehen vom mich verlässlich begleitenden Gegenwind. Beim Einschwenken in eine längere bewaldete Teilstrecke ohne Anlandemöglichkeit bricht das Pedal meiner Steueranlage aus. Das macht die Sache nicht einfacher und es braucht zusätzliche Kraft, das Boot auf Kurs gegen die Wellen zu halten. In solchen Situationen schärft sich die Wahrnehmung; ja, da wo ein kleines Seitenbächlein die Waldflanke durchbricht, da bildet sich eine klitzekleiner Mündungskegel. Hier kann ich auf einer Steinplatte knapp anlanden und die Steueranlage flicken. Nur wenige Kilometer später eine ähnliche Stelle, bei der ein Fischer – unter Planen und in einem uralt-Wohnwagen hausend – eine urige Wald-Kneippe betreibt. Anscheinend ein Geheimtipp der TID. Bei Fischsuppe, gebratenem Wels und Bier lassen wir es uns gutgehen. Danach weitet sich die Donau wieder zu einem breiten See: die liebliche Landschaft bei Doni Milanovac bildet das Scharnier zwischen den kleinen Karpaten (den Banater Bergen) und dem „richtigen“ Karpaten-Durchbruch, dem Eisernen Tor.
Bei herrlichem Wetter dürfen wir sodann zur Königsetappe aufbrechen: frühmorgens paddeln wir los, um die besonders imposanten Engstellen des eisernen Tors noch vor dem Ansturm der Touristenboote zu erreichen. Ein grosser Holz-Schlepper pflügt flussaufwärts an uns vorbei, ein Tankschiff ist abwärts auf Lauerstellung. Viel unangenehmer sind aber die Wellen der zahlreichen schnellen Motorboote, welche mit jeweils circa 10 Touristen an Bord die beiden Höhlen besuchen und vor dem Höhleneingang in Kolonne anstehen. Mit unseren Kajaks können wir uns dazwischen drängen – und ganz in die Höhle hineinpaddeln, während die Touristenboote bloss ihre Nase reinhalten können und dann wieder rückwärts zurückfahren müssen. Das Eiserne Tor mit seinen Highlights wie der Trajans-Tafel ist eine eindrückliche Passage an der Donau, wohl aber längst nicht mehr was sie mal war, als die Schlucht noch tiefer, die Stromschnellen wild und der See noch nicht aufgestaut war. Tekija, unser nächster Übernachtungsort, wartet nach einem sehr heissen Sommertag mit einem prächtigen Sonnenuntergang auf.
Am nächsten Tag heisst es, die 27km ohne Strömung bis zum Staudamm Djerdap1 vor 11 Uhr zu schaffen. Auf diese Uhrzeit werden unsere über 100 Boote in einer separaten Schleusung durchgelassen. Eine spektakuläre Doppelkammer-Schleuse befördert uns in zwei Stufen von je 15 Metern während fast einer Stunde um 30 Meter in die Tiefe. Eindrücklich, aber auch schade, dass die Natur – und die Strömung – hier derart gebändigt wurde. Das Warten in der Schleuse und das Wissen darum, dass nur 10 Kilometer später die Stadt Kladovo als Übernachtungsplatz und Ruhetag auf uns wartete, hatte eine entfesselnde Wirkung: kaum waren die Schleusentore geöffnet, entbrannte eine regelrechte Renn-Stimmung und wir paddelten, was das Zeug hielt. Einige der australischen TeilnehmerInnen hatten Wettkampferfahrung bzw. sind in jungen Jahren gar bei der Olympiade dabei gewesen.
Kladovo ist einer der zentralen Etappenorte. Für zahlreiche Teilnehmende endet hier das TID-Abenteuer und aus Deutschland kommen neue Paddler dazu. Unter anderen wird nun auch eine Equipe von Ruderern, vier Boote als Vierer mit Steuermann, somit also 20 Personen, die TID begleiten.