Woche 15 / 29.Juni – 4.Juli

Am Freitagmorgen verliessen wir den grünen Garten in Maldegem und fuhren Richtung Antwerpen. Der zunehmend dichte, abenteuerliche und dreispurige Lastwagen-Verkehr lässt keine Zweifel offen: wir sind in der Nähe eines der wichtigsten Handelshäfen (und angeblich auch Drogen-Umschlagplatzes) Europas. Mit höchster Konzentration und Navigations-Anstrengung umfahren wir diesen Kontenpunkt und erreichen schliesslich die Provinzstadt Mechelen. Nett und ebenfalls von Wasserwegen durchzogen, steht diese aber klar im Schatten der berühmteren Schwestern Brügge und Gent. Wenig später dann ein Halt in einer der ältesten Universitätsstädte Europas, in Löwen/Leuven. Hier wieder ein pulsierendes Zentrum voller junger Menschen und altehrwürdiger Gebäude, die sich in ihrer Verspieltheit sehr gut mit dem jungen Flair vertragen. Richtig schön, frisch und sympathisch, nicht zuletzt wegen der guten Eisdielen.
Die Stadt hätte zwar etwas ausserhalb einen gut klingenden Stellplatz, die Verkehrsführung war hier aber einmal mehr so verwirrend und unübersichtlich, dass wir es vorzogen andernorts um einen Übernachtungsplatz Ausschau zu halten. An Lüttich/Liège vorbei erreichen wir das Tal der Ourthe und den kleinen Ort Tilff, wo wir beim Carrefour tanken und gleich auch einen passenden Parkplatz am Flüsschen vorfinden. Ein warmer Sommerabend zieht überraschend viele Menschen in die Gassen; die für den kleinen Ort erstaunlich zahlreichen Restaurants und Terrassen sind voll, die Ferien-Atmosphäre dringt bereits durch. In Belgien ist an diesem Freitagabend Ende Juni Sommerferien-Beginn und die Schüler geniessen nun volle zwei Monate ihre Sommerruhe.

Anderntags gondeln wir gemütlich durch das Tal der Ourthe, queren mehrfach den gemütlich mäandrierenden Fluss, passieren stimmungsvolle kleine Ortschaften und erreichen schliesslich Aywalle. Wir nehmen überrascht zur Kenntnis, dass der geschichtsträchtige Bade-Kurort Spa (der dem heute so verbreiteten Wellness-Trend möglicherweise seinen Namen lieh / lateinisch „sanus per aquam“, gesund durch Wasser) ganz in der Nähe liegt und dass Spa/Francorchamps mit seiner Formel-1-Rennstrecke seit 1925 Austragungsort des „Grossen Preis von Belgien“ ist. Die liebliche Hügellandschaft und eine derartige Rennstrecke, mit allen Zufahrtsstrassen, Tribünen, Parkplätzen, Schilderwald etc. passen wie die Faust aufs Auge. Hier geht mir jedes Verständnis ab für Sinn und Nutzen solcher Anlagen.
Die Landschaft bleibt dennoch als schön in Erinnerung; übrigens eine Gegend die bis zu den Versailler Verträgen von 1920 zu Deutschland gehörte und in der die deutsche Sprache an Bedeutung gewinnt, ja sogar zur Umgangssprache wird, je näher wir zur Grenze kommen.
Ja, Belgien ist ein dreisprachiges Land, schafft das versöhnliche Miteinander von flämisch, französisch und deutsch sprechenden Landesteilen aber anscheinend nicht wirklich herzustellen. Nach Ansicht unseres Gastgebers liegt der Grund darin, dass der erfolgreiche und reiche Norden nur begrenzt Lust habe, den légèren und tendenziell „fauleren“ Süden mit Ausgleichszahlungen zu unterhalten.

Nach Besuch der modern restaurierten Klosterruine in Stavelot (sie beherbergt heute ein sehr ansprechendes Museum zeitgenössischer Kunst) und des Bezirksortes Malmedy erklimmen wir das Hochplateau des Hohen Venn. Der Parkplatz beim Signal de Botrange ist ideal für durchreisende Camper (und anscheinend auch für Bauernbuben aus der Nachbarschaft, die hier spätnachts unerlaubterweise ihre Fahrschule absolvieren und endlose Runden drehen; der Fahrer bzw. Fahr-Knabe sah knapp über das Lenkrad hinaus und dürfte wohl kaum älter als 14 gewesen sein). Der Ort lohnt dennoch eine Übernachtung, ist man doch anderntags schon gleich zum Sonnenaufgang auf den Wegen durch das Hochmoor. (vgl. Beitrag Renata zum Hohen Venn)

Am Sonntagnachmittag fahren wir bei hochsommerlichen Temperaturen über die Grenze nach Deutschland, folgen dem Kylltal, welches für seinen Radwanderweg auf der Trassee einer stillgelegten Dampfbahn bekannt ist und gelangen schliesslich in die Vulkan-Eifel, eine abenteuerlich klingende und uns bislang unbekannte Gegend. Das kleine und sympathische Feriendorf am Pulvermaar bei Gillenfeld bietet uns einen fantastischen Stellplatz, sozusagen auf einem ehemaligen Kraterrand. Mehr zu den Maaren in der Eifel.

Am Montag gönnen wir uns einen ausgedehnten Schreib-, Lese- und Badetag am Pulvermaar, fahren per Velo zum Einkauf, geniessen ein Grill-Znacht … und freuen uns, als am Abend ein weiteres Reisemobil mit AR-Kennzeichen aus der Schweiz anfährt. Schnell stellt sich heraus, dass diese vielgerreisten Camper aus Gais AR stammen …. und dass er vor gut 25 Jahren als Baggerführer den Aushub der Häuser in unserem Quartier gemacht hatte. Wie klein die Welt doch ist.
Nach einer weiteren Übernachtung am Pulvermaar lädt das schöne Wetter am Dienstag zu einer Radtour zum „Strohner Määrchen“ (einem kleinen verlandenden Krater-Moor), zur „Lavabombe“ in Strohn und dann weiter ins Tal des Alfbach. Ein idyllisches und liebliches Wiesental mit schönen Blumenwiesen. Wo zu Zeiten des hiesigen Klosters die Kapelle Schutzalf stand, erinnert heute eine liebevoll gestaltete stille Gedenkstätte mit einem schlichten Glockenstuhl. Ein rühriger Gemeindepräsident hat die Geschichte dieses besonderen Ortes recherchiert und zugänglich gemacht. Chapeau. Danach geht die Fahrt zurück, vorbei am Vulkanhof, der mit den auserlesenen Ziegenprodukten natürlich zu einem Halt einlädt: ein exquisiter Käseteller mit einem Schluck Moselwein und dem Meckern der Ziegen im Hintergrund. Was könnte stimmiger sein?
Anschliessend fahren wir via Steinerberg (der dortige Aussichtsturm mit wunderbarem Blick über die Vulkaneifel lohnt den Aufstieg) und via Ulmen an die Mosel, wo beim Winzer in Ellenz-Poldersdorf ein perfekter Stellplatz zur Übernachtung einlädt.

Der wunderschön frische Mittwochmorgen ist wie gemacht für eine Radtour nach Ediger-Eller (Christoph) bzw. für eine Fährenfahrt nach Beilstein (Renata). Eigentlich wären hier die perfekten Bedingungen, um endlich unser Faltboot aufzubauen und ein weiteres Stück Mosel zu paddeln. Da wir am Donnerstagabend zuhause ankommen möchten, ruft uns die Strasse: mittags fahren wir weiter Mosel-abwärts bis Brodenbach, dann auf die Hunsrück-Höhenstrasse und per Autobahn in Richtung Karlsruhe. Ein günstiger gelegener und ausreichend ausgestatteter Stellplatz am Albgaubad in Ettlingen bei Karlsruhe ist unser Übernachtungsort. Beim Spaziergang durch das sympathische alte Marktstädtchen Ettlingen wächst uns dieser Ort geradezu ans Herz, soviel Wasser, Grünflächen, liebevoll restaurierte Gassen und Häuser … und unweit unseres Stellplatzes gelangt man mit wenigen Schritten ins Grüne. Weite Naturwiesen mit frei zugänglichen Hochstamm-Obstbäumen, Schrebergarten-Flächen, alten Parkbäumen und einem munteren Bächlein stehen der Bevölkerung zur Verfügung. Kein pefekt getrimmter steriler Park, keine eingezäunte landwirtschaftliche Zone, einfach ein naturbelassener Lebensraum zur allgemeinen Nutzung. Wie schön.

Am Donnerstag folgen wir der Bundesstrasse bis Pforzheim, nehmen dann die Autobahn Richtung Singen – und entscheiden uns kurzentschlossen zu einem späten Mittagshalt in Donaueschingen. Ein Versäumnis, dass wir diesen Ort nicht schon früher mal besucht hätten. Ein super Stellplatz, von dem aus der wunderbare Fürstenberg-Park durchschritten wird, um ins Ortszentrum zu gelangen. Beim fürstlichen Schloss lädt natürlich die (symbolische) Donauquelle zum Besuch. Dies umso mehr, als Christoph in 14 Tagen zu weiteren 1000km Paddeln auf der Donau aufbrechen wird. Während er an der TID 2018 die ersten 1000 Donau-KM von Ingolstadt (DL) nach Mohacs (Ungarn) paddelte, folgt mit der TID 2019 die zweite Teilstrecke von Mohacs an der ungarisch-kroatischen Grenze bis nach Silistra (Bulgarien). Die Donau ihrerseits fliesst dann noch knapp 500km weiter bis zur Mündung ins Schwarze Meer.

Nach einer kurzen Mittagspause nehmen wir das letzte Teilstück unter die Räder und treffen Punkt 17 Uhr in Trogen ein, wo wir von Lukas und Lisa sehnlich erwartet und sehr herzlich empfangen werden. Wir geniessen in den folgenden Tagen die zahlreichen Begegnungen mit lieben Freunden, geniessen es Zeit zu haben für ausführliche Gespräche und Austausch und freuen uns, wie selbständig sich unser Garten entwickelt hat. Nach dreieinhalb Monaten ist der Blick auf das Gewohnte wieder frisch und unvoreingenommen und die Freude über das, was sich entwickeln konnte (nicht nur im Garten), gross.

Wir sind glücklich und zufrieden zuhause angekommen, dankbar für die unfallfreie Fahrt über gut 5000 km während der rund 3,5 Monate. Viele Erfahrungen durften wir machen, viele schöne Zu-fälle und Begegnungen geniessen und viele Anregungen zum Nachdenken mit nach Hause nehmen. Bis zur nächsten Etappe.

Eine Antwort auf „Woche 15 / 29.Juni – 4.Juli“

  1. Lieber Christoph,
    Schön diesen Eintrag von Dir zu lesen. Man kann sich die Gegenden die ihr bereist habt so richtig miterleben. Deine sehr guten Beschreibungen laden so richtig zum Träumen ein. Und nun gehst du wieder an einen schönen Ort um zu paddeln.
    Dazu wünsche ich dir viel Vergnügen und ganz viel Freude.
    Malou und ich führen gestern mit dem E- Bike von Appenzell nach Weissbad, weiter nach Lehmen und auf die Kammhalde nach der Schwägalp. Kaffeehalt und wieder zurück. Bei der Böhltte nahmen wir ein Bad im Weissbach.(hier badete Malou schon als kleines Mädchen)
    Ein wunderschöner Tag beendeten wir mit einem feinen Nachtessen im Kaubad. Und heute machen wir einen Freitag in den Ferien.
    Wir geniessen das schöne Wetter und auch unseren Garten.
    Nun freue ich mich auf unser nächstes Wiedersehen und Grüsse dich ganz herzlich

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