Ich stehe am Strand des D-Day in der Normandie, bei Longues-sur-Mer nördlich von Bayeux. Vor einer Woche wurde an dieser Küste dem „Débarquement“ der Alliierten vor 75 Jahren gedacht. Mit diesem massiven Angriff sei das Ende der Nazi-Herrschaft eingeleitet und damit das Ende des zweiten Weltkrieges möglich geworden. Die französischen Medien haben intensiv darüber berichtet; Städte, Museen und Kulturveranstalter haben grosse Veranstaltungsreihen eingerichtet. Ausstellungen und Plakataushänge ehren die Soldaten und Helden von damals; durchaus auch die Heldinnen und Helden der „Résistance“ und die freiwillig solidarischen Einsätze der Zivilbevölkerung etwa in der zum „Lazarett“ mutierten Stadt Bayeux. In den Kirchen erinnern Plakatreihen an jene Menschen, die in den Grausamkeiten des Krieges ihre spirituelle Kraft entwickelt hatten und für Friede und Versöhnung eingestanden sind.
Der Blick auf die Küste mit Ihren Überresten von Befestigungs-Anlagen (und Massen-Friedhöfen) macht nachdenklich, sprachlos. Der Gedanke an das unermessliche Elend, das mit dem Krieg einherging, wirkt ohnmächtig. Gut, dass der Geschichte gedacht und der Sprachlosigkeit entgegen gewirkt wird. Bleibt zu hoffen, dass diese Veranstaltungen nicht bloss der „Glorifizierung“ und kommerziellen Interessen dienen.

Dieser Stein in meiner Hand lag am Strand des D-Day. Was er schon alles erlebt haben mag? Die Natur nimmt hier ihren Lauf, wirkt schlicht, schön, unversehrt. Die Kräfte der Ge-Zeit-en wirken unbeirrt weiter. Was ist wohl härter, Stein oder Wasser? (Gewalt oder Liebe?) Normalerweise sucht sich das Wasser den „Weg des geringsten Widerstands“, umspült den Stein, mäandriert durch die Landschaft. Doch ist es nicht genau dasselbe Wasser, das in stürmischer Brandung alles mitreisst und auch harte Steine in beharrlicher Bewegung rund schleift und schliesslich gar zu Sand zermahlt? Panta rhei – alles fliesst.
