Planmässig konnten wir unsere erste grössere Reise-Etappe am Samstag 23.März starten. Nach Abschiedsbesuchen in Steinach führte die erste Etappe nach Düdingen/FR. Wie schon zum Start unseres Familien-Reisejahres im Sommer 1991 verbrachten wir die letzten zwei Tage bei unserer Freundin Therese.
Am Sonntag führt uns der Spaziergang bei schönstem Frühlingswetter entlang der Saane (Sarine) zur Abbaye d‘ Hauterive. Welch stimmiger Ort zum Start in unsere nächste Lebensphase. Stille, Achtsamkeit und Dankbarkeit … für die uns geschenkte Zeit. Die Mönche im Kloster Hauterive zeigen auch Humor: geschnitzte eichene Zaunpfähle entlang des Spazierwegs zeigen originelle Gesichter, ganz aus dem Leben gegriffen.
Am Montag dann die Fahrt über die Grenze bei Vallorbe und weiter an die Seille westlich von Louhans. Mit Pausenhalt beim sehenswerten Felsenzirkus von Baume-les-Messieurs. „Auffrischen“ von Erinnerungen … bei heftig blasendem Nordwind. Dann die Ankunft bei Markus und Regula im Ferienhaus, wo uns definitiv der Frühling erwartet. Wild wachsende Schachbrett-Blumen am Ufer der Seille.
Am Dienstag besuchen wir das sehr schlichte romanische Kirchlein von Brancion. Rohe Form, Stein und Licht, erzeugen hier eine bergende Stille …. und ein Gefäss, in dem sich Klänge wie von selbst ausbreiten. Ein verhaltener Ton, ein leises Knurren, ein staunendes „Oh“ … entfalten sich fast schon zu Musik.
Überdies ein eindrucksvoller Aussichtspunkt in die Landschaft des Süd-Burgunds und gleichzeitig ein Blick aus der Zeit, zurück ins 12.Jahrhundert. Wer und hier schon alles gelebt haben mag und was hier schon alles geschehen ist?
Die kleine Siedlung auf dem Hügel ist in der Vorsaison noch komplett still. Gerade mal zwei Personen (die Wirtin der „Auberge du vieux Brancion“ und ihr Mann) wohnen hier noch ganzjährig. Ein stimmiger Ort für einen Weisswein im abendlichen Sonnenlicht.
Am Mittwoch verabschieden sich Markus und Regula und fahren zurück in die Schweiz. Wir dürfen uns für die Gastfreundschaft und den Stellplatz erkenntlich zeigen, indem wir in Huilly-sur-Seille noch etwas Gartenarbeiten erledigen; für uns eine besonders schöne Form des stillen Abschieds. Schliesslich ist die ZEIT ja neuerdings unser „Kapital“. Danach fahren wir via Tournus (sehenswerte Kathedrale St.Philibert) an die Lacs de Laives. Hoch über dem Ort Laives nochmals eine romanische Kirche St.Martin; stille Wege durch dicht mit dornigem Unterhloz bewachsenen Steineichen-Wald. Zu dieser Jahreszeit wirken alle Sträucher und Bäume noch aus ihrer eigentlichen Form: die Silhouette der Aeste ist noch nicht durch Blattwerk bedeckt. Gerade die freistehenden Eichen zeigen ganz besonders ihren Charakter.
Von Donnerstag bis Sonntag stehen wir auf dem ehemaligen Bahnhofsgelände von St.Gengoux-le-National. Sensationell, was diese Weinbauern-Gemeinde aus der Stilllegung von Bahn und Bahnhof gemacht hat: die „Aire de Loisirs“ – das „Vergnügungsviertel“ gewissermassen – ist heute Sportplatz, Kinderspielplatz, Park und Freizeitgelände mit Kletterwand etc.. Der Parkplatz und WoMo-Stellplatz ist idealer Ausgangspunkt für die „Voie Verte“: denn wo einst eine einspurige Landbahn fuhr, ist das Trassee heute asphaltiert und eine ideale Piste für Velofahrer, Spaziergänger und Inline-SkaterInnen.
Am Freitag erkundeten wir die VoieVerte: mit dem Velo in südlicher Richtung, nach Cormatin und dann über liebliche Hügelzüge und weite Felder nach Chapaize. Auf den ersten Blick ein kleiner Weiler, eine Ansammlung von Bauernhäusern. An deren Rand eine umfriedete Parkanlage mit ein Landschloss. Mitten drinn in dieser Siedlung eine zunächst unscheinbare Kirche, von einem kleinen Friedhof umgeben. Die Bauweise aus rohen erdfarbenen Bruchsteinen lässt die gesamte Siedlung bescheiden und gleichförmig erscheinen. Der Schritt in die bergende Dunkelheit der Kirche gerät dann zur völligen Überraschung, überwältigendes Spiel von Raum und Licht. Der schlichte romanische Bau macht die Stille förmlich greifbar.
Am Samstag radle ich nochmals „voie verte“ auf der ehemaligen Bahnlinie durch das Tal der Grosne (ehemals von Macon via Cluny nach Chalon-sur-Saône). Diesmal bis Taizé: prägende Erinnerungen aus der Jugendzeit konnte ich hier nochmals auffrischen. Die ökumenische Gemeinschaft der „frères de Taizé“ zieht anscheinend auch heute noch Jugendliche aus der ganzen Welt an, welche sich von der Spiritualität dieses Ortes angesprochen fühlen. Für mich war’s damals in den siebziger Jahren ein „Tor zur Welt“; die „überraschende“ Entdeckung des Jugendlichen, dass es jenseits der Grenzen der kleinen Schweiz auch junge Menschen gibt, die zwar anders sprechen und trotzdem die gleichen Lebensfragen mit sich tragen. Konkret erfahrbare Internationalität der 70er-Jahre, als Handy, Internet und Social Media noch nicht existierten. Die riesigen Zeltlager in der Zeit um Ostern auf diesem Hügel, die vielen Gespräche in buntem Sprachgemisch, die Spaziergänge nach Ameugny, wo es diesen besonderen Geisskäse zu kaufen gab. Dazu ein Baguette und eine Flasche Rotwein und fertig ist die unvergessliche Runde auf der Kirchentreppe. Heute sind es die beiden kleinen und schlichten romanischen Dorfkirchen von Taizé und Ameugny, welche in ihrer zeitlosen Präsenz bei mir immer noch den stärksten Eindruck hinterlassen.
Am Sonntag wechseln wir die Szenerie. Ein Zwischenhalt in Cluny, jenem historisch prägenden Ort, in dem im Mittelalter die grösste Kirche und Klosteranlage Europas bzw. der damaligen Welt stand. Grösser gar als der Petersdom in Rom. Der prägende Einfluss und die Macht des cluniazensischen Benediktiner-Ordens war Ausgangspunkt vieler Klostergründungen im ganzen heutigen Europa. Schliesslich auch Ausgangspunkt für eine Gegenbewegung, der die Vermischung von Spiritualität und weltlicher Macht höchst suspekt war. In Rückbesinnung auf die spirituelle Grundhaltung entstanden neue Ordensgemeinschaften (Kartäuser, Trappisten), welche wieder handwerkliche Arbeit, Kontemplation, Brüderlichkeit und selbstgewählte Mittellosigkeit zum Ideal erhoben.
Wir wechseln anschliessend vom Tal der Saône und der Grosne bzw. vom südlichen Burgund ins Charolais, ins Einzugsgebiet der Loire. Das Charolais ist eine liebliche Weide-Hügel-Landschaft und die Heimat der weissen Charolais-Rinder.
Paray-le-Monial, die nächste Stadt mit einer bekannten romanischen Basilika, in wunderbarer Lage am Flüsschen Bourbince: die spiegelnde Wasserfläche ermöglicht ein einmaliges Foto-Sujet. Den Franzosen sei es einer der wichtigsten Pilgerorte überhaupt, auch heute noch. Tatsächlich erleben wir an diesem späten Sonntag-Nachmittag, wie „am laufenden Band“ Gruppierungen eintreffen, die hier nacheinander ihre religiösen Feiern abhalten; zu Fuss und mit Rucksäcken bepackt die Einen, Familien mit kleinen Kindern und Kinderwagen, traditionell gekleidete Gläubige und lateinische Gesänge bei den Andern.
Ganz in der Nähe hält dieses charmante Städtchen einen gut ausgestatteten Stellplatz für Wohnmobilisten bereit. Hervorragend geeignet als Ausgangspunkt für eine weitere Radtour auf einer „voie verte“, diesmal eine ehemaliger Treidelpfad entlang dem Canal du Centre. An dessen Ausgangspunkt in Digoin an der Loire beeindruckt der Pont Canal, eine wasserführende Trogbrücke, welche die Schiffe auf dem Canal du Centre über die Loire führt und dahinter in den Canal lateral à la Loire einbiegen lässt.